In der Zeit des sozialen Notstandes in den schweren Jahren nach dem 1. Weltkrieg und der folgenden Inflationszeit waren einige Männer der Marktgemeinde nachdenklich geworden und befaßten sich mit den sozialen Problemen der Bürger Mantels. Bei internen Zusammenkünften und Besprechungen, die nach außen hin geheim waren, begeisterte Herr Franz Scharrer, Spenglermeister, seine Mitarbeiter und versuchte aus den vielen Meinungen und Gegenströmungen ein örtliches Sozialwerk zu schaffen, das den Mitgliedern gerecht werden sollte.
Aus der Sterbeversicherung der Freiwilligen Feuerwehr Mantel schufen also Franz Scharrer und die weiteren Förderer ein für alle Mantler Bürger geltendes Sozialwerk mit dem Namen »Beerdigungs-Verein Mantel« als ein Werk der Nächstenliebe und gegenseitigen Hilfeleistung bei Todesfällen. Die erste Generalversammlung am 8. Januar 1926 wurde durch die hervorragende Vorbereitung der Gründer ein voller Erfolg: 307 Bürger der Marktgemeinde traten dem Verein als neue Mitglieder bei. Satzung und Statuten wurden bestätigt. Als 1.Vorstand wurde Franz Scharrer gewählt, als Kassier August Wendler, als Schriftführer Georg Hausner und vier weitere Beisitzer: Christian Keil, Johann Schmidt, Johann Fuhrmann und Andreas Seiser.
Damals wurden 0,50 RM pro Sterbefall von den Mitgliedern noch von allen Vorstandsmitgliedern gemeinsam einkassiert. Ein Sterbegeld von 75 RM stand den Hinterbliebenen zu. Dieses wurde genauso wie heute noch unbürokratisch, unmittelbar und schnell aus den direkten Beiträgen der Mitglieder ausbezahlt. Um stets eine funktionsfähige und erfahrene Vorstandschaft für diesen wichtigen Verein zu haben, wurde sinnvollerweise bestimmt, daß jeweils eine Hälfte der Vorstandschaft auf 2 Jahre gewählt wird und im nächsten Jahr die andere Hälfte. Dieser Vorgang wurde bis heute beibehalten und hat sich über 7 Jahrzehnte hindurch auch in schwieriger Zeit oder bei Todesfällen bewährt. Die Mitgliederzahlen und die Höhe des Sterbegeldes erhöhten sich in den folgenden Jahren stetig. So wurde zum Beispiel 10 Jahre nach Gründung der Selbsthilfe bereits ein Sterbegeld von RM 130 ausbezahlt, die Mitgliederanzahl wuchs auf 423.
Die Generalversammlung von 1942 besagte wegen des Kriegszustandes sehr wenig. Am 29. Juni 1942 verstarb Vorstand Herr Franz Scharrer. Er war der Gründer, der Organisator und die Seele der Selbsthilfe Mantel. Durch seinen Fleiß, seine Beredsamkeit, sowie seine Zielstrebigkeit hat er alle Hemmnisse überwunden. Herr Scharrer hatte seine Gedanken in die Tat umgesetzt und der Einwohnerschaft von Mantel ein einmaliges Sozialwerk geschaffen, welches in der näheren und weiteren Umgebung seinesgleichen sucht. Dieses Engagement sichert ihm ein ehrendes Gedenken. Als Nachfolger wurde Herr Isidor Turban zum Vorstand gewählt. Auch im Protokollbuch hat sich die unruhige Nachkriegszeit ausgewirkt. Es sind die Versammlungen ausgefallen, nähere Erläuterungen sind nicht aufgeführt. Aber die Urkunden der Verstorbenen und die Auszahlungen wurden sorgfältig aufgezeichnet. Diese Sorgfalt wurde seit dem 1. Sterbefall in 1926 bis heute aufrecht erhalten. Die Aufzeichnungen über Beiträge, Kassenstände, Auszahlungen und Sterbefälle sind lückenlos vorhanden.
Ein weiteres markantes Datum in der Geschichte der Selbsthilfe:
Mantel, den 8.8.1948, unterzeichnet von Vorstand Isidor Turban:
»Urkunde, Betreff Währungsreform. Es wurden RM 9.409,40 zur Abwertung angemeldet. Von 1926 bis 1948 wurden an Sterbegeld RM 20.263,00 ausbezahlt. Durch die Geldentwertung ist die Vereinskasse leer geworden. Das ganze Vermögen des Sterbevereins ist durch die Währungsreformbestimmungen wertlos geworden.«
Am 18.08.1948 ist unser Mitglied Jakob Pöppl, Gastwirt, gestorben. Die Auszahlungssumme für das Sterbegeld war nicht vorhanden, so mußte zum erstenmal eine Voreinkassierung der Beiträge erfolgen. Es waren die ersten 150 Deutsche Mark, die zur Auszahlung gelangten.
Neuen Aufschwung fand unser Verein mit dem am 21. März 1954 gewählten Vorstand Albert Mittermaier, der, wie er damals selbst bemerkte, »kein glückliches Erbe« antrat, und »als Vorsteher energisch eingreifen mußte, um die Nachwehen des Krieges zu beseitigen«. Seine erste Amtshandlung war ein Aufruf an alle Mitglieder, doch der Kassiererin keine Unannehmlichkeiten zu bereiten, wenn sie in den nächsten Tagen die noch offenen 4 Sterbefälle einkassieren käme. Es folgte eine großangelegte Werbung, bei der 179 neue Mitglieder aufgenommen wurden. Der »Beerdigungs-Unterstützungsverein« wurde am 1.9.1955 auf den Namen »Selbsthilfe Mantel -Unterstützungseinrichtung bei Sterbefällen-« umbenannt und eine neue Satzung beschlossen. Der Mitgliederstand erreichte in 1956 schon 552 Mitglieder bei einer Sterbegeldsumme von 185,00 DM.
Im Jahre 1970 ging ein jahrelanger Traum für Albert Mittermaier in Erfüllung: Die Mitgliederzahl hatte die 900er-Grenze überschritten und die Sterbegelderhöhung auf DM 400,00 war ein Meilenstein des Vereins. Im März 1976 wurde im Postsaal das 50jährige Gründungsfest mit Ehrungen, musikalisch umrahmt vom Männergesangverein, gefeiert. Die Mitgliederzahlen und Sterbegeldsummen erhöhten sich in den folgenden Jahren fortlaufend: So wurden 1976 DM 750 je Sterbefall ausbezahlt, im Jahre 1986 erstmals DM 1.000 und die Sterbegeldsumme von 1996 betrug mit DM 1.800 sogar DM 1.400 mehr als der 1970er »Meilenstein«. Als Beitrag werden seit 1996 DM 1,50 von den Mitgliedern kassiert. Beim 70jährigen Gründungsfest am 3. März 1996 wurde Kassier Robert Götz nach 30 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit für die Selbsthilfe geehrt.
Im Jahr 1999 wurde eine weitere markante Grenze überschritten: Mit Auszahlung des Sterbegeldes für den 755. Sterbefall wurde eine Gesamtauszahlungssumme von einer halben Million Mark seit 1926 überschritten. Diese Gelder wurden im Umlageverfahren von allen Mitgliedern in 73 Jahren eingesammelt; ein Beweis für die hervorragende Akzeptanz der Selbsthilfe in der Bevölkerung von Mantel.
Seit 2000 ist die Unterstützungseinrichtung als erster Manteler Verein auch »online« zu erreichen: unter der Internetadresse www.selbsthilfe-mantel.de sind aktuelle Informationen für alle Interessenten jederzeit verfügbar.
Am 04. März 2001 beging die Selbsthilfe Mantel in der Mehrzweckhalle Mantel ihr 75. Gründungsjubiläum. Der Männergesangverein sowie der Evang. Posaunenchor übernahmen die musikalische Umrahmung. Zur Einführung des EURO wurde in dieser Generalversammlung beschlossen: Ab dem Jahr 2002 wird der Beitrag je Sterbefall auf 1,00 € geändert, das Sterbegeld wird neu mit dem 1. Sterbefall ab 2002 auf 1.200,00 € festgesetzt.
Bei der Generalversammlung am 17.02.2002 wurde eine weitere Erhöhung des Sterbegeldes auf neu 1.250,00 € beschlossen.
Am 21.12.2003 verstarb die langjährige Schriftführerin Anneliese Grill, die Ihr Ehrenamt 23 Jahre lang ausübte.
Anfang Januar 2004 wurde erstmals ein Mitgliederstand von über 1.400 erreicht!
Am 05. März 2006 wurde das 80jährige Gründungsjubiläum gefeiert. In dieser Generalversammlung wurde das Sterbegeld wegen der erfreulichen Mitgliederentwicklung auf aktuell 1.280,00 € erhöht.
September 2006: Die Unterstützungseinrichtung hat den 900. Sterbefall seit ihrer Gründung betreut.
Folgende Vorstände waren bisher tätig:
– Franz Scharrer vom 08.01.26 bis zum 29.06.42 (16 Jahre)
– Isidor Turban vom 01.10.42 bis zum 08.10.48 (6 Jahre)
– Johann List vom 08.10.48 bis zum 21.03.54 (6 Jahre)
– Albert Mittermaier vom 21.03.54 bis zum 02.03.74 (20 Jahre)
– Heribert Janner (1974 nach knapp 1 Jahr verstorben)
– Hans Bäumler kommissarisch bis zur Wahl von
– Herbert Janner vom 24.09.74 bis zum 21.02.95 (20 Jahre)
– Günther Sparrer vom 21.02.95 bis 14.03.2010 (15 Jahre)
– Dr. Stephan Oetzinger vom 14.03.2010 bis 01.03.2020 (10 Jahre)
– Richard Kammerer seit dem 01.03.2020
Die Unterkassierer, die bei Wind und Wetter die Beiträge in bar einsammeln, neue Mitglieder werben und den Verein in der Öffentlichkeit repräsentieren, sind die Stütze des Vereins. Bisher waren tätig:
– Anna Keil von 1928 bis 1939 (11 Jahre)
– Lorenz Scharnagl von 1939 bis 1942 (3 Jahre)
– Frau Rast von 1942 bis 1955 (13 Jahre)
– Loni Beyer von 1955 bis 1968 (13 Jahre)
– Elise Hartwig von 1968 bis 1986 (18 Jahre)
– Lore Ermer von 1986 bis 1991 (6 Jahre)
– Gertrud Friedrich von 1991 bis 1998 (7 Jahre)
– Hilde Schätzler von 1998 bis 2012 (14 Jahre)
– Ingrid Zwerenz von 2012 bis 2019 (7 Jahre)
– Christine Dirrigl, Kassiererin seit 2015